«Wer aus der Klinik austrat, den erwartete oft Einsamkeit»

Bild Corona Sanatorium Kilchberg

Juni 2020 – Das Sanatorium Kilchberg ist eine Privatklinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Als Listenspital steht die Klinik auch allgemein Versicherten offen. Wo unterm Jahr sonst Teilnehmende von SeitenWechsel Einsätze machen, ist seit Mitte März nur noch sehr eingeschränkt Besuch möglich. Beatrix Wolff, Stationsleitung Psychotherapiestation/Koordinatorin Pflege Bereich Privat- und Psychotherapie für die Behandlung von Depressionen, Zwangsstörungen und stressbedingten Schmerzstörungen, über die Besonderheiten ihrer Station seit Mitte März:.

«Unsere Akutstationen sind  ausgelastet, im Psychotherapiebereich haben wir etwas weniger Patientinnen und Patienten als sonst, weil einige die Einschränkungen nicht mitmachen möchten. Im Moment sollen ja die Patienten das Areal nicht verlassen und überall Masken tragen. Das ist sicher das Einschneidendste, dass alle Therapien mit Schutzmaske stattfinden, ausser der Raum sei sehr gross und gut belüftet. Unsere Klinik liegt an spektakulärer Lage über dem Zürichsee und hat einen sehr schönen Garten; zusammen mit dem sonnigen Wetter machte dies das Hierbleiben in den letzten Wochen sicher leichter. Gegen die Schutzmasken hingegen gab es schon Widerstände. Wir vom Personal haben als erste angefangen, diese zu tragen, bis sie dann auch für die Patienten eingeführt wurden.

Zu Beginn der Coronakrise waren viele dankbar, dass sie hierbleiben durften, sich keine Gedanken machen mussten, wo sie Essen oder Toilettenpapier herbekommen. Es gab eine Art Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Leuten. Man war nicht allein, hatte Gesellschaft, immer jemanden zum Reden.

Die Stationen waren voneinander getrennt und es gab keine Besuche. Bis vor kurzem sollten Patientinnen und Patienten die Klinik auch nicht verlassen. Es gab zwar keine Ausgangssperre und wir hatten kein Recht, jemanden zurückzuhalten, aber wir haben es eindringlich empfohlen und uns gewünscht, dass die Patienten das Areal nicht verlassen. Wir hatten Glück, es gab Verdachtsfälle auf Covid 19, aber wir waren letztlich nicht betroffen.

Normalerweise gehen Patienten kurz vor dem Austritt übers Wochenende nach Hause zur Belastungserprobung, um zu schauen, ob Verhaltensweisen, die sie hier eingeübt haben, auch anderswo umsetzbar sind. Das ging nicht, also haben wir auch am Samstag und am Sonntag Angebote gemacht, um die freie Zeit zu gestalten. Wir haben Spiele gespielt, Filmabende veranstaltet, einfach zusammen etwas gemacht. Es war schön zu sehen, wie dankbar die Patientinnen und Patienten dafür waren.

Alle wussten: Wer austritt, alleine wohnt und im Home Office arbeitet, geht in die Einsamkeit. Gerade für depressive Patientinnen und Patienten ist so etwas eine grosse Herausforderung. Viele tagesklinische Angebote waren zudem geschlossen.  Ambulante Therapien  wurden  auf Konsultationen per Telefon oder Video umgestellt, bieten vieles speziell gerade für die Krisenbewältigung im Kontext der Pandemie an – trotzdem dünkt mich, an psychiatrisch kranke Personen, auch an alte Menschen, wurde in dieser «somatischen Zeit» zuwenig gedacht. Die Sorgen und Befürchtungen von Menschen, die nicht ganz so stabil sind, die nicht die Vielfalt an Fähigkeiten haben, mit den Einschränkungen zurechtzukommen wie gesunde Menschen, die Bedürfnisse von Einsamen, denen man so vieles weggenommen hat, all dies wurde der Bekämpfung der Pandemie untergeordnet.

Nun ist sie etwas abgeschwächt, aber bei uns, wo so viele Menschen zusammenkommen, gibt es im Moment noch nicht die grosse Lockerung. Zwar dürfen Patienten übers Wochenende zur Belastungserprobung wieder nach Hause, aber wir tragen immer noch den ganzen Tag Masken. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob das noch nötig ist.»