Selbstbestimmt und selbstwirksam leben

KGA Vor BAG 2

Karin Gasser arbeitet als Co-Sektionsleiterin beim Bundesamt für Gesundheit BAG und hat einen SeitenWechsel-Einsatz im Brunnadere-Huus absolviert. Das Brunnadere-Huus in Bern bietet Personen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen ein Zuhause – und auf Wunsch auch einen Arbeitsplatz.

«Besonders beeindruckt hat mich, wie selbstbestimmt die Nutzer:innen – wie sie im Brunnadere-Huus genannt werden – leben dürfen. Die Betreuungspersonen geben den Menschen Zeit, Raum und die Möglichkeit, selbst Entscheidungen zu treffen und Probleme zu lösen. So wollten beispielsweise zwei Nutzer:innen Blumendekorationen erstellen, es war aber nur eine Person für diese Aufgabe vorgesehen. Die Betreuung liess den Nutzer:innen viel Zeit, um das Problem selbst zu lösen. Erst als nach einem halben Tag für die Nutzer:innen keine zufriedenstellende Lösung vorlag, griff die Betreuung unterstützend ein. In einer anderen Situation wurde einer Frau, die nur sehr wenig sprechen konnte, ermöglicht, ihren Menüplan für die Woche mit Hilfe von Bildern selbst zusammen zu stellen.

Ich lernte viel, in dem ich mich mit den Nutzer:innen auf Gespräche einliess. Schnell wurde mir klar, dass ich nur eine Verbindung aufbauen konnte, wenn ich Themen aus ihrer Lebenswelt aufnehme. Um Vertrauen aufzubauen, musste ich die Leute da abholen, wo sie sind. Diese Erfahrung aus einer ganz anderen Lebenswelt lässt sich für mich sehr gut in meinen (Arbeits-) alltag übertragen.

Die Arbeit des Teams hat mich auch sehr beeindruckt. Besonders in Erinnerung bleibt mir die Situation mit einem temporären Nutzer, der starkes Heimweh hatte. Intuitiv wollte ich diese Person ständig vom Heimweh ablenken. Eine junge Betreuerin hat mir aber davon abgeraten und mir mit viel Empathie für die Person erklärt, dass der Nutzer auch alleine einen Weg finden muss mit dem Heimweh umzugehen, weil er sonst immer auf Hilfe angewiesen sein wird. Das hat mir eindrücklich gezeigt, wie Empathie und Abgrenzung Hand in Hand gehen können.

Es war eine grosse Bereicherung, eine Woche in eine komplett andere Welt eintauchen zu dürfen.»