«Es darf auch morgen werden»

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Juli 2020 – Auch nach dem Lockdown wirken sich die Schutzmaske und die Entschleunigung auf den Alltag von beeinträchtigten Menschen aus. Das Ostschweizer Kompetenzzentrum für Menschen mit einer Körperbehinderung oder Hirnverletzung betreibt in Walenstadt das Haus Selun und bietet auch SeitenWechsel-Einsätze an. Rolf Schenkel, Bereichsleiter Arbeit und Therapie, über die Zeit der Lockerungen.

«Im Haus Movero mit ambulanter Tagesstruktur war nach dem Lockdown alles geschlossen. Jetzt läuft der Betrieb wieder, unter Einhaltung des Mindestabstands und mit Maskenpflicht. Im Haus Selun, wo die Menschen mit Körperbehinderung oder Hirnverletzung wohnen, ist das Besuchsverbot aufgehoben. Die Angehörigen der Bewohner dürfen wieder kommen, entweder aufs Zimmer oder draussen. Auch die Wochenenden dürfen wieder zuhause verbracht werden.

Die Wohneinheiten sind nach wie vor separiert. Seit wir das Essen vom Speisesaal auf die Gruppen verlegt haben, fühlen sich die Bewohner wohler, wegen der kleineren Gruppen. Auch wir Mitarbeitende merken Verbesserungen, es gibt jetzt nur noch einen grossen, gemeinsamen Rapport. Der ist viel effizienter.

Ich persönlich finde, dass die Ruhe und Begrenztheit auch gute Wirkungen auf das System hat. Wir im Betrieb merken: Es darf auch morgen werden, bis es erledigt ist. Die Ruhe, die man selber entwickelt im Arbeitsalltag, ist für die Bewohnenden spürbar.

Der Lockdown und seine  eingeschränkte Bewegungsfreiheit sowie das Besuchsverbot waren nicht einfach für unsere Bewohnenden. Im April haben wir draussen einen Begegnungsort eingerichtet. Angehörige konnten mit 2 Metern Abstand zu Besuch kommen. Zum Glück war das Wetter wunderbar, aber die meisten Klienten hatten grosse Mühe damit, dass sie ihre Angehörigen nicht berühren, in den Arm nehmen dürfen. Die Schutzmasken sind immer noch da. Für einige unserer Bewohnenden ist es schwierig, dass sie die Mimik des Personals, das sie kennen, wegen der Schutzmaske nicht mehr lesen können. Es fehlt ein Teil der Kommunikation, die Reaktion im Gesicht. Es ist für sie, wie wenn Ausserirdische um sie herum wären.»