«Eine zu frühe Lockerung ist für uns kein Thema»

Baerenmoos

Mai 2020 – Im Wohnhuus Bärenmoos in Oberrieden leben Menschen mit einer körperlichen Beeinträchtigung oder Hirnverletzung. Die einmalige Lage des Hauses mit Blick auf den Zürichsee und die Alpen tröstet die Betreuten wenigstens ein bisschen über den Verlust des bekannten Alltags hinweg. Tomislav Simic, Hausleiter, über das Leben im Bärenmoos in der ausserordentlichen Lage:

«Eine zu frühe Lockerung der Massnahmen ist für uns kein Thema. Wir hatten bisher absolutes Besuchsverbot für externe Besucher. Konkret heisst das: Weder Angehörige, noch Freunde oder sonstige Personen können die 28 Betreuten im Bärenmoos besuchen. Ebenso können die Betreuten übers Wochenende nicht mehr zu ihren Familien nach Hause, können nicht mehr an externen Physio-Therapien teilnehmen, können nicht zum Schwimmen oder selber einkaufen gehen. Auch unbegleitete Spaziergänge würden ein zu hohes Risiko darstellen. Selbst die beiden von extern kommenden Mitarbeitenden an einem geschützten Arbeitsplatz können ihrer gewohnten Tätigkeit im Bärenmoos nicht mehr nachkommen. Ja selbst die Lieferanten und auch der Pöstler müssen alles vor die Türe stellen. Wir sind sehr froh, dass die Chancen gut stehen, dass ab dem 12. Mai das Besuchsverbot allfällig etwas gelockert werden kann.

Die Bewegungsfreiheit der Betreuten ist im Moment auf das Haus und das Areal beschränkt. Alles andere wäre nicht vertretbar. Die Welt steht für uns alle gewissermassen still, auch zum Schutzderjenigen Betreuten bei uns, die einer Risikogruppe angehören.

Wir tun alles, damit die Betreuten und Mitarbeitenden im Bärenmoos gesund bleiben. Die bei uns jetzt geltenden Massnahmen gehen teilweise sogar weiter als empfohlen, aber wir müssen konsequent für alle das Gleiche beschliessen, sonst wäre das Verständnis nicht gegeben. Das würde den gemeinschaftlichen Alltag erschweren. Deshalb gehen wir vom schwächsten Glied der Kette aus.

Wir haben uns auf den Ernstfall vorbereitet. Eine der vorbeugenden Massnahmen ist, dass die 50 Mitarbeitenden in zwei Gruppen aufgeteilt wurden, die abwechselnd an je 7 Tagen arbeiten und dann 7 Tage frei haben. So gewährleisten wir, dass die Gruppen keinen Kontakt miteinander haben. Wer kann, arbeitet im Homeoffice – das geht natürlich in der Pflege nicht. Daneben wird noch häufiger geputzt als sonst.

Wegen Corona haben wir unsere Abläufe komplett neu gedacht, und das hat durchaus Vorteile: Früher hatten wir zum Beispiel ein grosses Buffet mit acht Salaten, Menüs, einem Wochenhit. Man war ob der Vielfalt manchmal fast ein bisschen überfordert. Jetzt gibt es Tellerservice mit einem Salat und einem Menü mit Vegi-Alternative (plus natürlich Spezialdiäten). Dadurch ist die Situation am Tisch plötzlich viel ruhiger und entspannter, familienmässiger.

Die Betreuten ihrerseits haben gemerkt: Ihr Tag war prall gefüllt mit Terminen, internen oder externen, sie waren ständig unterwegs. Weil jetzt alles nur noch intern stattfindet, können sie flexibler wählen, ob sie etwas heute oder morgen machen möchten. Diese Form der Selbstbestimmung war vorher viel weniger gut möglich.

Den Umständen entsprechend geht es uns eigentlich gut. Am Anfang gab es seitens der Betreuten grosse Ungewissheit: Wie geht es weiter, wie lange dauert es, wann kann ich wieder nach Hause? Das haben wir in vielen Gesprächen aufgefangen, immer wieder erklärt. Das Verständnis hat sich entwickelt. Auf einer Skala von 1 bis 10 sind wir auf einer 7, würde ich sagen. Den Verlust derpersönlichen sozialen Kontakte versuchen wir wie alle andern auch, via soziale Medien auszugleichen.

Derzeit lassen wir die Angehörigen in speziellen Besucherräumen unter Einhaltung aller Hygiene- und Abstandsvorschriften wieder zu Besuch kommen – das gibt uns allen Hoffnung und eröffnet neue Perspektiven.»