«Da lässt sich nichts digitalisieren»

Talk Eingang

Im t-alk in der Nähe des Einkaufszentrums Sihlcity, einem Treffpunkt für alkoholabhängige Menschen, stehen seit der Pandemie die Tische weit weg voneinander. Was das mit den Besuchern und den Mitarbeitenden macht, erzählen ein Teilnehmer von SeitenWechsel und die t-alk-Leiterin:

Als einer der letzten Teilnehmenden verbrachte Philippe Rosenauer, Direktor bei PwC Schweiz, kurz vor Beginn der zweiten Pandemie-Welle im t-alk eine Woche live vor Ort: «Wir sind seit dem Frühling im Home Office und nur selten im Büro. Die Einsatzwoche im t-alk war das Analogste seit langem. Digitalisieren lässt sich in dieser Arbeit nichts. Das Wichtigste im t-alk ist, dass man mit den Leuten spricht.

Wie die Mitarbeitenden mit den Klienten umgehen fand ich bewundernswert. Bei den Gästen kommen die Emotionen oft ungefiltert durch, es gibt zum Beispiel Unstimmigkeiten, weil jemand nicht will, dass er mit einem anderen am Tisch sitzt etc. Solche Spannungen hat das t-alk-Team mit grossem diplomatischen Geschick gelöst, so dass die Leute sich abgeholt fühlten.

Ich habe gesehen: Menschlichkeit und Begegnungen kann man auch mit Maske leben, auch wenn man nur die Augen sieht. Hauptsache, man sieht sich. Digital hin oder her, am Ende des Tages muss man die Leute regelmässig sehen, das merke ich bei mir im Team auch. Es hat sich eingebürgert, dass wir die Kamera einschalten. Insbesondere jüngere Teammitglieder muss man aber ab und an physisch treffen. Sorgen erzählt dir keiner über eine Webcam.»

Larissa Stämpfli ist Leiterin des Treffpunkts t-alk, in dem die SeitenWechsel-Einsätze stattfinden: «Kürzlich habe ich das Cola angesetzt zum Trinken, ich hatte noch die Maske auf. Wir tragen seit März den Mundschutz beim Arbeiten, auch unsere Gäste müssen Maske tragen, ausser wenn sie sitzen und rauchen oder essen.

Zwischenmenschlich sind der permanente Abstand und das viele Plexiglas für die Klienten schwierig. Wir haben auchVerständigungsprobleme. Wir arbeiten ja sehr nah mit den Klienten und diese kommen zu einem grossen Teil wegen des sozialen Austauschs. Aber wir sind gewohnt, neue Lösungen zu finden, schnell zu entscheiden, umzudenken. Drum, auch wenn wir damit beschäftigt sind, Regeln durchzusetzen wie Maske über die Nase, Hände waschen, Fieber messen, ist die Türe zu, wenn die Anzahl von 15 Personen erreicht ist etc. ist es eigentlich entspannt bei uns. Wir setzen Schutzmassnahmen streng um, z.B. auch das Lüften, nicht zur Freude von denen, die endlich im Warmen sind. Dafür hatten wir bis anhin keinen positiv getesteten Fall unter unseren Klientinnen und Klienten.

Für die Obdachlosen ist das Leben mühsamer geworden. Sie müssen mehr organisieren: Welche Anlaufstellen sind noch offen, wo kann ich waschen, duschen, übernachten etc. Zum Glück mussten wir die Dauer des Aufenthalts noch nicht begrenzen. Dank des einigermassen warmen Wetters bleiben viele unserer Besuchenden noch draussen. Streng wird der Winter, wenn unsere reduzierten Plätze nicht mehr reichen.»