Augen- und Türöffner für den Umgang mit anderen Menschen

Bachmann Thomas

Thomas Bachmann ist Teamleder Design/Delivery Datakommunikation bei der Swisscom und hat vor Kurzem seinen zweiten SeitenWechsel erlebt. Wie es dazu kam und was er aus seinen SeitenWechsel-Einsätzen mitgenommen hat, verrät er in diesem Interview.

Thomas, du hast nun bereits zum zweiten Mal einen Seitenwechsel gemacht. Warum, was fasziniert dich daran?
Seitenwechsel ist ein Augen- und Türöffner für den Umgang mit anderen Menschen. Man gelangt unversehens in eine andere Welt und sieht, welche Probleme die Menschen dort beschäftigten und was die Herausforderungen da sind. Trotzdem kann man überraschend gut einen Bezug zur eigenen Lebenswelt herstellen.

Demnach hat der erste SeitenWechsel bei dir einen bleibenden Eindruck hinterlassen?
Ja, ich war 2014 in der psychiatrischen Akutstation für Jugendliche der ipw. Die Geschichten von einigen Jugendlichen sind mir heute noch sehr präsent. Beeindruckt hat mich aber vor allem auch, wie die Leitung mit der Gesamtsituation umgegangen ist. Ich konnte viel für mein eigenes Führen mitnehmen: für das Krisenmanagement, die Arbeitsweise unter Stress und für den Umgang mit Menschen in schwierigen Situationen. Zudem relativierte die Erfahrung mit den Jugendlichen, wie ich private Herausforderungen und Krisen im Arbeitsalltag erlebe. Klar, ich nehme Krisen im Arbeitsalltag sehr ernst. Aber mit der Erfahrung aus meinem SeitenWechsel kann ich solche Momente etwas entspannter angehen.

Und was hat dich dazu bewogen, dich nach neun Jahren nochmals für einen SeitenWechsel zu melden?
Die Erfahrungen, die ich dort gemacht habe, haben mich noch lange beschäftigt. Deshalb kam mir SeitenWechsel wieder in den Sinn, als ich letztes Jahr eine Weiterbildung suchte.

Du hast dann einen Einsatz gemacht bei der Altra Schaffhausen
…richtig, das ist ein soziales Unternehmen, welches Menschen mit einer Behinderung in die Arbeitswelt integriert. Im Betrieb hat mich überrascht, wie sich die Mitarbeitenden zwar in einem geschützten Arbeitsumfeld bewegen, aber dennoch voll in einen Business-Ablauf eingespannt sind. Das hat mir gezeigt, wie sinnvoll und wichtig Arbeitsintegration ist. Ich finde es toll, dass auch meine Arbeitsgeberin die Swisscom sich für die Arbeitsintegration engagiert.
Auch der Umgang, den die Mitarbeitenden, das Fachpersonal und die Leitung untereinander hatten, beeindruckte mich.

Was genau?
Ich denke, ich kann es unter dem Thema «Wertschätzung» zusammenfassen. Weiterbildung beispielsweise hat bei der Altra Schaffhausen auf allen Ebenen einen sehr hohen Stellenwert. Die Fachpersonen begleiten die Mitarbeitenden mit Beeinträchtigung individuell und fördern sie gezielt. Die Fach- und Führungspersonen pflegten ausserdem einen tollen Austausch im Team: Sie hielten beispielsweise sehr effiziente, ungezwungene und zielführende Kurzmeetings ab.

Auch in deinem Arbeitsalltag bei der Swisscom ist Weiterentwicklung ein Thema. Gibt es Aspekte, die du nun aus dem SeitenWechsel in deinen Beruf übertragen kannst?
Ja. Beispielsweise die Erkenntnis, dass nicht immer nur grosse Würfe gemacht werden müssen. Es braucht nicht immer gleich sofort einen Bachelor oder ein Zertifikat, man kann auch im Kleineren weiterkommen. „Dra bliebe“ ist wichtig. Bei der Altra entwickeln sich die Menschen in vielen kleinen Schritten weiter und kommen zu einem guten Resultat. Diese Haltung versuche ich vermehrt gegenüber meinen Mitarbeitenden zu vertreten.

Hast du ein konkretes Beispiel aus deinem Arbeitsalltag?
Ein Teammitglied möchte zum Beispiel Projektmanager werden und das ist – in diesem konkreten Fall – ein recht grosser Schritt. Wir haben uns nun gemeinsam entschieden, dass wir dieses Ziel in kleinen Schritten über mehrere Jahre verfolgen wollen. Ich bin überzeugt, dass das in diesem Fall die nachhaltigere Variante ist, als ein schnelles Zertifikat. Aber natürlich muss jeder Fall individuell beurteilt werden.
Wichtig ist, dass sich alle bewusst sind, dass die eigene Weiterentwicklung nie aufhört.

Gab es während der Woche für dich auch herausfordernde Situationen?
Im Voraus habe ich mir etwas Sorgen gemacht, wie ich mit den Menschen mit Beeinträchtigungen umgehen soll. Ich wusste nicht recht, wie ich auf sie zugehen kann. Wie finde ich Gesprächsthemen? Ich hatte Berührungsängste, da ich auch keine Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen in meinem Umfeld habe.

Wie bist du damit umgegangen?
Ich habe am Anfang die Fachpersonen nach Tipps gefragt. Die sagten einfach: «Gehe mal hin und gib dich so wie du bist. Versuche auf die Menschen einzugehen.» Für den Fall, dass es nicht gut laufen sollte, haben sie mir Unterstützung angeboten.
Am Anfang hatte ich tatsächlich etwas Hemmungen, das muss ich zugeben. Auch die Mitarbeitenden waren zurückhaltend. Eine Person meinte sogar, ich käme von der kantonalen Kontrollstelle und hatte grossen Respekt. Aber am zweiten Tag konnte sie mir bei der Arbeit einen Trick zeigen, den sie extrem gut beherrschte. Da war das Eis gebrochen. Auch sonst klappte es von Tag zu Tag besser. Ich ging zufrieden nach Hause. Meine Berührungsängste habe ich nachhaltig verloren. Über mich selbst habe ich gelernt, dass ich mit etwas Mut und Geduld mit ganz verschiedenen Menschen umgehen und auf sie eingehen kann.

Konntest du auch aus diesem Seitenwechsel beruflich etwas mitnehmen?
Ja. Es hat mir die Wichtigkeit individueller Führung und Begleitung nochmals vor Augen geführt, auch bei Menschen ohne Beeinträchtigung. Selbst führe ich ja 37 Mitarbeitende. Sie sind alle sehr unterschiedlich. Die Erfahrungen im SeitenWechsel haben mich darin bestätigt: Man muss die Menschen so nehmen, wie sie sind, sie individuell begleiten und weiterentwickeln. Zudem ist das Thema Wertschätzung enorm wichtig, positive Feedbacks werden oft vergessen.