«Absurderweise geht es vielen unserer Klienten nun fast besser»

April 2020 – sintegrA zürich, eine Institution für Menschen in einer psychischen Krise, die in normalen Zeiten SeitenWechsel-Einsätze bietet, musste wie viele Institutionen und Unternehmen innert ein paar Tagen von analog auf online umstellen. Besondere Herausforderung dabei: Die psychisch beeinträchtigten Klientinnen und Klienten der Arbeitsintegration besassen oft nicht einmal einen Computer geschweige denn das Anwenderwissen dazu.
Marianne Bonati, die Betriebsleiterin der Integrationsmassnahmen und stellvertretende Geschäftsführerin von sintegrA zürich, über den Wiedereinstieg in den ersten Arbeitsmarkt zu Zeiten von Kurzarbeit.

«Eine Handvoll Klienten kommen noch physisch zu unseren Schulungen. Sie halten es zuhause nicht aus. Die anderen von unseren gut 50 Stellensuchenden schulen wir online oder sie arbeiten weiter an ihren Trainingsarbeitsplätzen. Glücklicherweise wurden diese nicht abgesagt. Die Umstellung klappte erstaunlich schnell, obwohl wir vielen erst einmal Zugang zu einem Computer mit Kamera verschaffen mussten (wir würden uns immer noch freuen über alte Computer mit Kamera). Sehr froh waren wir um unsere jungen Mitarbeitenden, sie hatten sogar Freude daran, die neue Technik einzurichten.

Wir haben den Auftrag vom Bundesamt für Sozialversicherungen BSV, die Struktur aufrechtzuerhalten für unsere Klienten und in Kontakt zu sein mit ihnen, wir bekommen auch noch Anmeldungen für unser Integrationsunternehmen.

Wir begleiten unsere Klienten nun sehr eng, jemand doziert, jemand assistiert technisch, wenn wieder einer der Teilnehmenden aus der Zoom-Konferenz fliegt, und wir rufen sie einzeln alle 2 Tage zuhause an.

Vom Team sind jeweils vier Personen da und sechs im Home Office. Dank zwei Stockwerken und 500 Quadratmetern Fläche ist der Abstand kein Problem. Wie Häftlimacher sind wir aufs Händewaschen aus, haben die Klienten genauestens instruiert.

Man merkt, wie wir kollektiv verbunden sind miteinander und wie uns das nun fehlt. Es ist wie Arbeiten gegen den Wind, es ist streng, mit Leuten in Kontakt zu sein, die man nicht sieht. Alles ist verlangsamt, auch weil Abläufe ungewohnt sind. Es braucht viel Energie und Kraft, den ganzen Tag in diese «Kiste» zu schauen, wenn man online unterrichtet.

Was ich schön finde: Es geht uns allen gleich! Auch wir müssen nun zuhause bleiben wie unsere Klienten, auch wir haben fast keine Kontakte mehr. Wir erleben einen Teil der Isolation der Klienten nun am eigenen Leib.

Absurderweise geht es vielen unserer Klienten jetzt fast besser, weil sie sich derzeit nicht bewerben müssen. Auch wenn sie alle gern wieder einen Arbeitsplatz hätten, so ist es doch ein Druck, einen solchen suchen zu müssen als psychisch beeinträchtigte Person. Dieser Leistungsdruck fällt bei ihnen grad weg.»