«Die Tür zum Thema Lebensende wieder öffnen»

Neu sind SeitenWechsel-Einsätze auch im Hospiz Aargau möglich. Das Hospiz Aargau begleitet Sterbende und ihre Angehörigen in einem multiprofessionellen Rahmen ambulant und stationär. Zudem gibt es Trauertreffs für Hinterbliebene. Wir haben ein paar Fragen an den Geschäftsführer Dieter Hermann gestellt.

Foto: Hospiz Aargau

Wir freuen uns, dass wir neu SeitenWechsel im Hospiz Aargau anbieten können. Was ist die Motivation des Hospiz Aargau, beim SeitenWechsel mitzumachen?
Wir wollen den Menschen zeigen, dass Sterben genauso zum Menschsein gehört, wie die Geburt und das Leben. Wir wollen den Menschen die Angst davor nehmen. Sterben ist nicht immer extrem traurig und belastend. Mit SeitenWechsel können wir Personen, die in einem rationalen Umfeld arbeiten, das hochemotionale Thema näherbringen. Da wir in der Sterbebegleitung bereits ein hohes Mass an Freiwilligenarbeit haben, sind wir gegenüber Personen aus anderen Bereichen sehr aufgeschlossen.

Was ist dir bei der Begleitung des ersten SeitenWechsel-Einsatzes aufgefallen?
Es war eine Person, die noch sehr wenig Berührungspunkte mit dem Thema hatte. Ich war überrascht, wie schnell sie alle Berührungsängste fallenlassen konnte. Zudem war sie während der Woche kein Fremdkörper in unserem Team, sondern gut integriert. Mich beeindruckt grundsätzlich, wie schnell Menschen, die noch wenig Erfahrung mit dem Thema haben, sich darauf einlassen können. Ich nehme in unserer Gesellschaft eine grosse Tabuisierung des Themas Sterben wahr. Die Menschen, die aus einem anderen Kontext zu uns kommen, erlebe ich wie ein trockener Schwamm. Wenn du da behutsam drauftröpfelst, saugen sie plötzlich auf, ohne Ende, und sie wollen sich mit dem Thema Tod auseinandersetzen.

Wie konntet ihr als Institution neben der Enttabuisierung vom SeitenWechsel profitieren?
Die SeitenWechslerin hat am Ende der Woche einen Stiftungsantrag für ein kleines Projekt von uns geschrieben. Sie hat dafür ganz andere Worte benutzt als wir. Das hat mir einerseits gezeigt, dass wir doch noch sehr unsere fachliche Brille aufhaben. Andererseits haben wir Hinweise erhalten, wie wir an andere Zielgruppen herantreten können.

Welchen Wunsch hast du für das Thema Tod an die Gesellschaft?
Dass man die Türen für das Thema Lebensende wieder öffnet. Es wird aus der Gesellschaft rausgedrängt. Es gehört aber zu uns. Die Arbeit im Hospiz ist nicht nur, einen Menschen in ein Bett zu legen und zu warten, bis er nicht mehr atmet. Es ist ganz viel drum herum. Man zelebriert das Sterben – auf ganz spezielle Art und Weise. Mit grosser Warmherzigkeit. Wenn das Sterben gut begleitet ist, dann sind die Angehörigen und Betroffene je nach Situation nicht tieftraurig oder entsetzt. Sie fühlen sich getragen. Das darf die Gesellschaft wissen, dann verliert das Sterben – so hoffe ich mindestens – auch ein bisschen seinen Schrecken.