«Alles was ich weiss, ist in diesem Moment unbrauchbar.»

Sivan Goldberg wünschte sich eine Abwechslung von seinem gewohnten Alltag bei PwC und wollte etwas völlig Neues erleben. Da er normalerweise nur wenig Kontakt mit Kindern hat, entschied er sich für einen SeitenWechsel-Einsatz im Kinderheim Pilgerbrunnen.

«Anfangs hatte ich einige Berührungsängste. Ich fühlte mich in der Wohngruppe wie ein Reh im Scheinwerferlicht. Mir fehlten der Referenzrahmen und die Erfahrung, was Kinder können und machen. Doch genau das machte den Einsatz für mich so spannend und oft auch lustig. Die Anspannung legte sich schnell.

Ich erinnere mich zum Beispiel daran, wie ich mit einem fünfjährigen Kind Uno spielte. Beim Austeilen legte es immer weitere Karten auf, nachdem wir bereits je sieben hatten. Da wurde mir bewusst, dass ich schlicht nicht wusste, wie weit ein Kind in diesem Alter zählen kann. Oder als ich mein grosses Fotobuch über Haifische von zu Hause mitbrachte, merkte ich erst beim Erzählen, dass ich bei diesen neugierigen Zuhörer:innen nicht auf meine gewohnten Ausführungen zurückgreifen konnte. Die Tatsache, dass Haifische über 400 Millionen Jahre alt sind, sagte ihnen natürlich nichts und ich musste es anders erklären. In solchen Situationen wurde mir bewusst, dass alles, was ich weiss, in diesem Moment unbrauchbar ist.

Das Kinderheim Pilgerbrunnen ist eine grossartige Institution in einem tragischen Umfeld. Ich erhielt Einblick in die pädagogischen Konzepte, die nicht nur erarbeitet, sondern auch gelebt werden. Das Wohl der Kinder steht an erster Stelle. Ich sah, mit wie viel Liebe versucht wird, den Kindern einen stabilen Rahmen zu geben. Der krasse Gegensatz der warmen und herzlichen Umgebung und den schwierigen Geschichten der Kinder, hat mich berührt.

Beeindruckt hat mich die Koordination im Team, die gegenseitige Rücksichtnahme und die Unterstützung, die die Mitarbeitenden erhalten. Der Schichtbetrieb in Kombination mit der Wichtigkeit von Details und von konsequentem Verhalten erfordert einen sehr hohen Koordinationsaufwand. Es kommt oft zu herausfordernden Situationen mit den Kindern. Dazu passt ein Satz aus den Grundhaltungen vom Pilgerbrunnen:

„Auffällige Verhaltensweisen haben einen guten Grund und sind aus der Biografie heraus verstehbar. Sie sind Bewältigungsstrategien – gesunde Reaktionen auf ungesunde Situationen.“

Kinderheim Pilgerbrunnen

Mir sind die Kinder bereits nach fünf Tagen ans Herz gewachsen. Deshalb ist es gut, dass es Angebote für die Mitarbeitenden gibt, damit sie sich abgrenzen und schützen können. Schön fand ich auch, wie selbstverständlich die Stärken der Mitarbeitenden gefördert und Schwächen berücksichtigt werden.

Ich bin ein halbes Jahr nach meinem Einsatz immer noch mit dem Pilgerbrunnen in Kontakt und werde zu den monatlichen Treffen eingeladen. Ich kann mir zudem gut vorstellen, dass ich in Absprache mit den Verantwortlichen bald mal mit meinem Haifischbuch im Heim vorbeischauen werde.»